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Wie viel Grip hat ein Reifen in den Kurve?

Wie viel Grip hat ein Reifen in den Kurve?

Sinsheim Moto Gymkhana Training Kurvenfahrt Schräglage

Der Reifen ist das Teil, dass die Verbindung zwischen Straße und Motorrad herstellt. Grip spielt dabei eine ganz wichtige Rolle, damit wir überhaupt Motorrad-Fahren können. Aber wie viel Grip hat so ein Reifen eigentlich und was hält er in der Kurve aus?

Diese und weitere Fragen möchte ich gerne in diesem Beitrag beantworten.

Die Grundlagen - Kammscher Kreis

Grip am Motorrad – naja das ist so eine Verständnis Sache. Aus diesem Grund ziehen wir uns doch mal kurz die Physik dahinter rein.

In Rot – das seit ihr
Wenn ihr euch nach vorne bewegt, ergibt sich der gelbe Pfeil nach vorne (oder im Bild nach oben). Fahrt ich dabei gleichzeit in eine Kurve (links) ergibt sich auch ein gelber Pfeil nach links.

Nun, wenn man diese beiden gelben „addiert“ ergibt sich der blaue Pfeil als Resultierender.

Das ganze sind Kräfte-Vektoren. Sprich eine grafische Darstellung einer Kraft, die auf euch oder euren Reifen wirkt.

Der orangene Kreis stellt nun den Kammschen Kreis dar. Alles was sich Kräftetechnisch (die gelben und blauen Pfeile) im Kreis befindet, ist unbedenklich. Sobald allerdings die Kräfte zunehmen, somit auch die Pfeile länger werden, erreichen wir das Limit.

Das Resultat – Grip Verlust.

Der Kammsche Kreis ist abhängig von Einflüssen wie, Asphalt, Temperatur, Reifen, Zeit Aktion und Reaktion (Beispiel: Bremsen, Gabel dämpft ein, Latsch vom Reifen wird größer, Krafteinwirkung auf Reifen)

Kammsche Kreis - mit Gripverlust und Vektoren

Der Kammsche Kreis stellt das Gripniveau des Reifens in verschiedenen Szenarien dar (Kurvenfahrt, Bremsung, …).

In anderen Worten: Der Kammsche Kreis zeigt euch bildlich, dass während einer Kurvenfahrt beispielsweise, mehrere Kräfte auf den Reifen wirken. Werden diese Kräfte zu viel, reißt der Grip am Reifen ab.

Keine Lust zum weiterlesen? Hier das Video dazu!

Wann verliere ich Grip?

Nun, da wir jetzt verstanden haben, dass ein Reifen auch Grenzen hat, müssen wir nur noch raus finden, wo seine Grenzen liegen und wie wir das beim Fahren raus finden können.

Was sind den eigentlich Grip-Killer für den Reifen?

Schlechter Untergrund: Dinge wie Dreck, Steine, Bitumen oder auch Öle führen dazu, dass der Kreis deutlich reduzierter wird. Das Resultat: wir verlieren Grip. Das kann teilweise sehr kurzzeitig sein, wenn wir auf der Landstraße unterwegs sind, sodass wir es gar nicht merken, es kann aber auch eine Ursache zum Sturz sein.

Schlechte Reifen: Man mag es kaum glauben, aber der Reifen ist eins der fundamentalen Teile in diesem Puzzeln, dass den Grip zu verantworten hat. Wenn der Reifen sehr alt ist, oder kein Profil mehr hat, kann das spätestens bei Regenfahrt zum ein oder anderen AHA-Moment führen

Zu schnelle Bewegungen: Der Freund des Reifens ist die Zeit. Stellt euch mal eine Gefahrenbremsung vor, und welche Vorgänge dabei entstehen. Ihr baut Bremsdruck auf, die Gabel taucht vorne ein, die Kraft auf den vorderen Reifen wird erhöht, die Kraft auf den hinteren vermindert. Der vordere Reifen wird flach gedrückt, und er kann Grip aufbauen bzw. erhöhen und den Kräften entgegen setzen.

So wenns perfekt läuft. Wenn ihr diesen Vorgang zu schnell macht, beispielsweise bei einer Schockbremsung, hat der Reifen nicht mehr die Zeit sich flachzudrücken. Somit ist die Aufstandsfläche deutlich kleiner und der Reifen hat nicht so viel Grip. Es kann dazu führen, dass euch der Reifen bei der Bremsung stehen bleibt, das ABS deutlich zu früh regelt oder wenn ihr es nicht habt, es zum Sturz kommt.

Neuer Reifen: Ob ihrs glaubt oder nicht. Ich habe schon die Erfahrung machen dürfen. Und glaubt mir, es ist nicht schön sich nach der Montage an der Kreuzung vor allen Nachbarn wegen einem coolen Auftritt und einem neuen Reifen lang zu machen. Auch wenn man dem Conti Road Attack 3 nachsagt, dass er sofort einsatzbereit ist. Glaubt mir – ist er nicht. Vielleicht nach 20 km anstatt 50 km. Aber nicht nach der Ausfahrt aus der Garage….

Nicht alles was Grip verliert ist schlecht

Manchmal kann fehlender Grip durchaus auch vorteilhaft sein. Denkt dabei ans Driften. Ohne fehlenden Grip wäre das nicht möglich.

Erstaunlich aber war, die Moto GP arbeiten auch genau mit dem Moment, wo der Reifen leicht an Grip verliert. Damit haben sie mit einem leichten Slide die Möglichkeit, das Motorrad besser Richtung Kurvenausgang zu „drehen“ um früher und schneller ans Gas wieder zu gehen.

Wie erhalte ich am meisten Grip?

Reifendruck: Ein fehlerhafter Gedanke von vielen ist, wenn man den Reifendruck minimiert, wird der Grip automatisch größer. Zugegebenermaßen, bei einer Rennstrecken kann der Kalt-Reifendruck durchaus mal bei 1,6 Bar oder weniger liegen. AAABER wenn man den Reifendruck zu viel ablässt, dann kann es negative Auswirkung auf das Laufverhalten (Reifen wälkt zu viel oder wird zu heiß) haben oder der Reifen rutscht sogar über die Felge.

Stützgas: Ein Motorrad-Reifen lebt in der Kurve vom sogenannten Stützgas. Mit dieser Technik werdet ihr weder schneller noch langsamer, sondern haltet oder „stützt“ das Motorrad in gleichbleibender Geschwindigkeit in der Kurve. Das hält euch nicht nur auf Spur, sonder führt dazu dass es weder einen gelben Pfeil nach vorne, noch einen gelben Pfeil nach hinten gibt.  Das führt dazu, dass ihr die „Kraftreserven“ voll und ganz auf die Schräglage drauf packen könnt. Ihr könnt also entweder schneller durch eine Kurven fahren oder schräger. Beides gleichzeitig wiederum hat natürlich sein Limit.

Gebt dem Reifen Zeit: So wie oben beschrieben, ist dem Reifen sein größter Killer die Zeit. Wenn er die nicht bekommt, wirds schnell eng.

Anders gesagt, wenn ihr wirklich bremsen müsst oder Gas geben müsst, macht das ganze Progressiv. Es ist wie beim Küssen. Ihr knallt auch nicht eure Lippen auf die Lippen des anderen, sondern macht es geschmeidig und bestimmt. So ist es auch beim progressiven Arbeiten. Wenn ihr bremst, dann nicht abrupt, sondern zügig mit zunehmendem Druck.

Temperatur: Mit dem vorherig genannten Punkt „Zeit geben“, geht auch umher, dass der Reifen auf Temperatur gebracht werden sollte. Ich habe schon öfters den Test gemacht und ich kann bestätigen, dass ein warmer Reifen nochmal deutlich mehr an Grip aufbringen kann. Im Kaltzustand verschleißt zudem der Reifen deutlich schneller. Im warmen Zustand kann der Reifen sich besser in der Oberfläche verzahnen, was zum besseren Grip führt. Es ist wie beim Sport, ein Sprint ohne Aufwärmen führt gerne zur Zerrung.

Das Video zum richtigen Bremsen findet ihr hier:

Oft gestellte Fragen

Darf man in der Kurve bremsen?

Ja darfst du. Allerdings für Anfänger nicht gleich empfehlenswert, da diese Technik wirklich Training benötigt. Der Kammsche Kreis erklärt es euch sehr gut. Bremst ihr in die Kurve + erhöht die Schräglage => blauer Pfeil wird größer. Das geht solange gut, bis ihr Grip verliert. Glaubt mir, da geht überraschend viel. Aber nur durch progressives Bremsen (Reifen Zeit geben zum Reagieren = Feingefühl) im Wechselrichtung (mehr Schräglage, weniger Bremsdruck) zur Schräglage kann das sicher passieren

Darf man in einer Kurve Gas geben?

Ja darfst du. Vor allem das, macht beim Motorrad-Fahren richtig viel Spaß. Aber auch hier, es ist viel Training notwendig. Und wichtig. Wenn ihr zu viel und zu früh Gas gebt, habt ihr noch noch zu hohe Schräglagen (Erinnerung: Gelber Pfeil nach vorne und nach links/rechts => Resultierende). Daher darf diese Technik auch wieder nur in Wechselwirkung (mehr Gas, weniger Schräglage) passieren.

Wie viel Grip hat ein Reifen?

Wie viel Gripp ein Reifen wirklich hat, hängt von vielen Faktoren ab, wie wir bereits gesehen haben. Meiner Erfahrung nach, kann ein Reifen von Szenario Kreisverkehr – Ölig -> daher sehr wenig Grip, bis zum Wettbewerb in Spanien, abartiger Asphalt, Rennsteckenreifen, Fußrasten schon am Hochklappen alles haben.

Was kann eigentlich so ein Motorrad-Reifen alles abhaben?

Ein Reifen kann durchaus mal in die Jahre gekommen sein, kann auch mal falsch herum aufgezogen werden (nicht empfohlen, ich habe aber schon die Erfahrung gemacht), kann auch mal weniger Luftdruck haben. Die heutigen Reifen sind wirklich der Hammer (und glaubt mir, ich habe schon einige ausprobieren können). Wie man es auch oft Anfängern an die Hand gibt. Ein Reifen kann oftmals mehr als man eigentlich denkt, und das kann ich bestätigen. Haltet ihr euch an die Grundregeln „Siehe Kapitel: Wie erhalte ich am meisten Grip?“, dann würde euch der Reifen trotzdem wenn ihr alles provoziert (#MotoGymkhanaTraining) weiterhin ein Aha-Erlebnis geben.

Was passiert, wenn der Reifen wirklich an Grip verliert?

Nun ja, wie ich schon oben beschrieben habe im Kapitel „Nicht alles was Grip verliert ist schlecht“, kann es durchaus gut sein den Grip zu verlieren.

Aber für alle die sich im öffentlichen Straßenverkehr aufhalten mal kurz tacheles Gesprochen.

Jeder tut sich einfacher, wenn der Reifen dauerhaft Grip hat.

Es gibt Momente, in denen man als erfahrener Motorrad-Fahrer durchaus den Reifen zum leichten kontrollierten Slide oder tänzeln animiert. Wenn man verstanden hat, dass mit etwas weniger Gas in diesem Moment (auf keinen Fall das Gas komplett schließen) alles wieder im grünen Bereich ist, kann man mit diesem Move wirklich viel Spaß haben.

Wenn dann aber der große Angstschrei vom Reifen kommt (Quietschen), weil ihr ohne ABS das Hinterrad oder Vorderrad blockiert, oder ihr in der Kurve richtigen Top-Speed aufgebaut hat, und das rutschen selbst durch leichtes Wegnehmen vom Reifen nicht mehr verhindern könnt, dann habt ihr ein ernsthaftes Problem.
In diesem Moment werdet ihr realisieren, dass IHR leider das Problem wart und nicht der Reifen. Und das tut verdammt aua (ich kann davon leider auch schon ein Lied singen….)

Was kann ich trainieren, damit ich den Grip vom Reifen besser einschätzen kann?

Zu aller erst müsst ihr und eure Maschine in Top Form sein. Das bedeutet, ihr müsst auf jeden Fall eine lockere Grundhaltung (nicht nur bei 130 auf der Autobahn, sondern auch beim Fahren in Schrittgeschwindigkeit und den engen Wendungen und Rotation im langsamen Fahrbereich) in jeglicher Situation haben. Dürft gerne auch alle Kurvenstile drauf haben. Das Motorrad und der Reifen darf gerne warm gefahren sein, und der Luftdruck sowie das Profil dürfen gerne geprüft sein. Somit habt ihr einige grüne Häkchen, die euch keinen Strich durch die Rechnung machen.

Nun müsst ihr euch mit dem Reifen vertraut machen. Schaut dazu einmal in diesem Beitrag vorbei: Wie vertraue ich meinem Reifen?

Um euch einen Fahrplan zu geben, was ihr nun alles trainieren könnt:

Lockerheit: In Kurvenfahrt, saubere Blickführung, lockere Arme und Hände. Grundspannung im Becken. Bei Gefahrenbremsung, saubere Technik – progressives Bremsen. Beim Gas geben – progressives Gas geben und nicht ruckartig

Schräglage: Schräglage bietet euch ein tolles Feingefühl, was euer Motorrad, eure Gabel und euer Reifen aushält. Das könnt ihr mit einem Stück Kreide auf den Reifenflanken, einem Übungsplatz und regelmäßiges drauf schauen mal etwas ausloten. Achtung Schräglage ist für das Hirn nicht natürlich. Es bedarf gut und gerne mal ein Jahr an regelmäßigem Training bis mal Schräglage in allen Facetten verinnerlicht hat.

Etwas Mut: Nun fahren wir schräg, wir können die Gefahrenbremsung und fahren auch immer locker. Was eine tolle Übung ist, in Schräglage gerne kurz mit dem Gas zu zucken. Das bringt den Reifen teilweise kurz an seine Grenzen, was in geringeren Geschwindigkeiten (Übungsplatz bei 20 km/h) keinen Highsider verursacht. Mit immer mutig werdenden Gasstößen könnt ihr euch ran tasten, was der Reifen wirklich drauf hat.

Zu guter Letzt!

Ihr merkt also, dass zum Reifen-Grip viel Grundlage, Training uns ausprobieren dazu gehört. Beschäftigt euch mit diesem Thema, mit eurem Reifen und trainiert – und nicht nur einmal im Jahr beim ADAC oder so.

 

Ich hoffe, ich konnte euch zeigen, was ein Reifen mag oder nicht mag, und euch auch eine bildliche Darstellung darüber geben, was ein Reifen eigentlich drauf hat.

Die Linke zum Gruß

Die Linke zun Gruß

Mathias B.

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